BAG: Wieder Neues zum Urlaubsrecht

Bekanntlich verfällt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch eines fortdauernd arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers nach der – unionsrechtlich induzierten – neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen § 7 Abs. 3 BUrlG nicht spätestens am 31. März des Folgejahres. Diese Rechtsprechung gilt aber nicht für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Mehrurlaub. Hier können die Parteien des Arbeitsvertrages oder aber auch die Tarifparteien abweichende Regelungen treffen, wenn nur der Wille zur Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts erfüllt § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD diese Voraussetzung (Urteil vom 22.05.2012, Aktenzeichen: 9 AZR 575/10). Der tarifliche Mehrurlaub kann also nach den dort genannten Regeln bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit verfallen. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil die tarifvertragliche Regelung keineswegs ausdrücklich zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub differenziert. Die Tarifparteien hätten sich jedoch, so das Bundesarbeitsgericht, mit der Regelung in § 26 Abs. 2 TVöD hinreichend deutlich vom gesetzlichen Fristenregime in § 7 Abs. 3 BUrlG gelöst.

In seinem Urteil vom 19.06.2012 (Aktenzeichen: 9 AZR 652/10) hat sich das Bundesarbeitsgericht auch für den nicht über den Übertragungszeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer von der sogenannten „Surrogat“-Theorie gelöst. In Anwendung dieser Theorie verfiel der Urlaubsabgeltungsanspruch bei beendetem Arbeitsverhältnis entsprechend den Regelungen für den Urlaubsanspruch, also regelmäßig spätestens zum 31. März des auf den Bezugszeitraum folgenden Jahres. Für den über den Bezugszeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer hatte sich das Bundesarbeitsgericht bereits von dieser Theorie verabschiedet. Klargestellt hat jetzt das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19.06.2012, dass die Surrogatstheorie dann auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch des „arbeitsfähigen“ Arbeitnehmers keine Anwendung finden kann. Sachliche Gründe dafür, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollten als für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, bestünden nicht. Daraus folgt: Es handelt sich auch hier beim Urlaubsabgeltungsanspruch um einen „reinen Geldanspruch“, der grundsätzlich entsprechend den für Zahlungsansprüche geltenden Regeln verjährt. Der Arbeitgeber muss also bis zum Ablauf der gesetzlichen Regelverjährungsfrist von drei Jahren damit rechnen, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer noch Urlaubsabgeltungsansprüche geltend macht, wenn einzelvertraglich oder tarifvertraglich keine (wirksame) abweichende Regelung getroffen ist.

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