Befristeter Arbeitsvertrag II: Wissenschaftliches Personal in der Medizin

In seinem Urteil vom 02.09.2009, AZ: 7 AZR 291/08, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Befristungsregelung in § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG in derbis 17. April 2007 geltenden Fassung (seit 18.04.2007: § 2 Abs. 1 Satz 2WissZeitVG) nur für wissenschaftliches Personal der medizinischenFachrichtungen, nicht aber für Wissenschaftler anderer Fachbereiche gelte. 

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall war der Kläger Diplom-Biologe mit Ausbildungsschwerpunkt Biochemie. Er war nach Abschluss seiner Ausbildung und Beendigung der Promotion auf der Grundlage zweier befristeter Arbeitsverträgevom 01. Mai 2001 bis zum 31. Dezember 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiteran der Medizinischen Hochschule Hannover des Landes Niedersachsen beschäftigt.Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 2003 lautete auszugsweise: 

„Herr ... wird ab 01.01.2004 als Wissenschaftlicher Angestellter nach §§ 57 a ff. Hochschulrahmengesetz (HRG) für die Zeit bis zum31.12.2007 beschäftigt. Die Befristung des Arbeitsvertrages gründet sich auf §57 b Abs. 1 Satz 2 HRG (in der ab 23.02.2002 geltenden Fassung).“ 

Der Kläger gehörteder Abteilung Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des ZentrumsKinderheilkunde an. Ihm oblag es, im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geforderten Sonderforschungsbereichs 566 die Ursachensogenannter angeborenen Neutropenien zu erforschen. Dabei hatte er biochemische Arbeiten und Zellkulturarbeiten an Leukämiezellen durchzuführen. 

Das Bundesarbeitsgericht meinte, dass die Formulierung in § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG zwar auch eine Auslegung erlaube, dass alle wissenschaftlichen Mitarbeitererfasst seien, die in der medizinischen Forschung tätig seien, unabhängigdavon, welchem wissenschaftlichen Fachbereich sie angehörten. Etwas anderes ergebe sich allerdings aus der Gesetzessystematik sowie aus Sinn und Zweck der Regelung. Insbesondere hebt das Bundesarbeitsgericht darauf ab, dass nach § 47Satz 4 HRG a. F. die Qualifizierungsphase vor einer Juniorprofessur im Bereichder Medizin auf neun Jahre ausgedehnt wurde, weil der Gesetzgeber einen zeitlichen Rahmen von sechs Jahren für die Promotions- und Postdoktorandenphase wegen der für eine selbstständige Vertretung des Fachs Medizin in der Lehreerforderlichen Facharztausbildung nicht für ausreichend hielt. Dieser neunjährige Zeitraum habe durch die Regelung in § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG a. F. auch für die Nachwuchswissenschaftler zur Verfügung gestellt werden sollen, die nicht eine Professur an einer Universität, sondern z. B. eine leitendeärztliche Funktion in einer außeruniversitären Klinik anstrebten. Die Ausdehnung des Qualifizierungszeitraums auf neun Jahre „im Bereich der Medizin“ beruhe daher – ebenso wie bei Juniorprofessuren – auf dem Erfordernis der Facharztausbildung und betreffe deshalb nur wissenschaftliche Mitarbeiter mitärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Aufgaben. Der Kläger drang nachalledem mit seiner Befristungskontrollklage durch. 

Bei dieser Gelegenheit stellte das Bundesarbeitsgericht zugleich klar, dass mit wissenschaftlichen Mitarbeitern,die über eine Doppelqualifikation, z. B. als Arzt und Chemiker, verfügen, durchaus befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von neun Jahren abgeschlossen werden können, wenn sie in medizinischen Fachrichtungen tätig seien. Entsprechendes gelte für die Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter an außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Sinne von § 57 d HRG. 

Das Urteilstrahlt bereits jetzt in den Bereich des Hochschulzulassungsrechts aus. In den gerichtlichen Kapazitätsverfahren im Wintersemester 2009/2010 ist zu beobachten, dass anwaltliche Vertreter von Studienbewerbern eine höhere Aufnahmekapazität in den medizinischen Studiengängen damit begründen, dass von einer Erhöhung der Lehrverpflichtung – eine der maßgeblichen Größen für die Berechnung der Kapazität – für diejenigen wissenschaftlichen Mitarbeiter auszugehen sei, die entgegen § 57 b Abs. 1 Satz 2 HRG (jetzt § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG) länger als sechs Jahre in der Promotions- und Postdoktorandenphase beschäftigt seien, obwohl sie nicht mit ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Aufgaben betraut seien. Die Reaktion der mit Kapazitätsstreitigkeiten befassten Verwaltungsgerichte bleibt abzuwarten.

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