BGH: Amtspflichten der Gemeinde bei Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens im Baugenehmigungsverfahren

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 36 BauGB kam eine Amtspflichtverletzung einer das Einvernehmen versagenden Gemeinde in Betracht, wenn die Versagung Bindungswirkung für die Baugenehmigung hatte. Der auf der Planungshoheit beruhenden Beteiligung der Gemeinde am Baugenehmigungsverfahren konnte nämlich im Falle der Versagung des Einvernehmens eine für den Bauwilligen ausschlaggebende Bedeutung zukommen, wenn die Baugenehmigungsbehörde nach der Rechtslage gehindert war, eine Baugenehmigung auszusprechen, so lange die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht erklärt hatte.

Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 16.09.2010 (Az.: III ZR 29/10) zu entscheiden, ob diese Rechtsprechung im Hinblick auf Ende der 1990er Jahre eingeführten § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB noch gilt. Nach dieser Vorschrift kann die durch Landesrecht zuständige Behörde ein rechtswidriges versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Im Freistaat Sachsen sind Einzelheiten der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens in § 71 SächsBauO geregelt.

Der vom Bundesgerichtshof zu beurteilende Sachverhalt ereignete sich in Bayern. Auch Bayern hat die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens näher landesrechtlich ausgeformt, und zwar in einer der sächsischen Rechtslage vergleichbaren Weise.

Eine bayerische Gemeinde hatte das Einvernehmen für die Errichtung eines im Außenbereich gelegenen Schweinestalles mit ca. 1.500 Mastschweinplätzen zu Unrecht verweigert. Die Baugenehmigungsbehörde hatte dann nicht etwa das gemeindliche Einvernehmen ersetzt, sondern unter Hinweis auf das Fehlen des gemeindlichen Einvernehmens die Baugenehmigung abgelehnt. Der Antragsteller hatte daraufhin – erfolgreich – Klage beim Verwaltungsgericht auf Erteilung der Baugenehmigung erhoben. Er machte dann im Amtshaftungsprozess geltend, ihm sei durch die verzögerte Erteilung der Genehmigung, deren Ursache das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen der Gemeinde gewesen sei, ein Schaden entstanden.

Nach Auffasssung des Bundesgerichtshofs war gleichwohl ein Amtshaftungsanspruch nicht gegeben. Die Prüfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde umfasse im Hinblick auf die Ersetzungsbefugnis nicht nur die Frage, ob ein gemeindliches Einvernehmen erforderlich sei, sondern auch, ob die Verweigerung der Gemeinde rechtswidrig sei. Die Bindungswirkung der negativen Entscheidung der Gemeinde für die Baugenehmigungsbehörde werde aufgehoben. Der maßgebliche Grund für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht seitens der Gemeinde bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens sei entfallen.

Die Entscheidung verlagert das Haftungsrisiko für ein von der Gemeinde rechtswidrigerweise verweigertes Einvernehmen auf die Baugenehmigungsbehörde. Dennoch ist der Kommune zu empfehlen, vorsichtig zu agieren. Sie hat etwa die Möglichkeit, gegen eine trotz des Verweigerung des Einvernehmens erteilte Baugenehmigung mit einem Rechtsbehelf vorzugehen. Dann gilt der Grundsatz, dass der Gebrauch von Rechtsmitteln zur Durchsetzung rechtswidriger oder zur Verhinderung rechtmäßiger behördlicher oder gerichtlicher Beschlüsse oder Entscheidungen eine selbstständige Amtspflichtverletzung der das Rechtsmittel einlegenden Körperschaft darstellen kann. Kommt es dann etwa zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen, kann unter Umständen die Gemeinde doch gegenüber dem Bauherrn haften.

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