EuGH zur interkommunalen Kooperation: Abschied von „Teckal“ ?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 09.06.2009 ein Grundsatzurteil gefällt (Az.: C-480/06).

Zu entscheiden hatte der EuGH über folgenden Sachverhalt:

Die Landkreise Rotenburg (Wümme), Soltau-Fallingbostel, Stade und Harburg schlossen im Dezember 1995 mit der Stadtreinigung Hamburg einen Vertrag über die Entsorgung ihrer Abfälle in einer neuen Müllverbrennungsanlage. Die Stadtreinigung Hamburg verpflichtet sich in diesem Vertrag, den Landkreisen eine Kapazität von 120.000 t pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug hierzu zahlen die Landkreise über die Stadtreinigung Hamburg an den Betreiber der Anlage, der wiederum mit der Stadtreinigung Hamburg vertraglich verbunden ist, die jährliche Vergütung. Für den Vertrag ist eine Laufzeit von 20 Jahren vorgesehen. Eine Ausschreibung ging dem Vertragsabschluss nicht voraus.

Nach Auffassung des EuGH ist dieser Vertrag nach europäischem Recht nicht ausschreibungspflichtig. Der EuGH stellt hierfür nicht auf die sogenannten Teckal- Kriterien für Inhouse-Geschäfte ab. In der Rechtssache Teckal hatte der EuGH entschieden, dass kein (ausschreibungspflichtiger) öffentlicher Auftrag vorliege, wenn die Gebietskörperschaft über die rechtlich von ihr verschiedene Person eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person ihre Tätigkeit im
wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichte, die ihre Anteile inne hätten. In einer neueren Entscheidung (Coditel) hat der EuGH ergänzend klargestellt, dass für das „Kontrollkriterium“ eine gemeinsame Kontrolle genüge.

Dem gegenüber meint der EuGH in seiner neuen Entscheidung:

„Damit steht fest, dass der beanstandete Vertrag sowohl die Rechtsgrundlage als auch den Rechtsrahmen für die zukünftige Errichtung und den Betrieb einer Anlage bildet, die für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe – der thermischen Abfallverwertung – bestimmt ist. Der Vertrag wurde ausschließlich zwischen öffentlichen Stellen ohne Beteiligung Privater geschlossen, sieht keine Vergabe eventuell erforderlicher Aufträge über den Bau und den Betrieb der Anlage vor und präjudiziert sie auch
nicht .“

Diese Ausführungen wird man so verstehen müssen, dass generell ein Vertrag zwischen öffentlichen Stellen ohne Beteiligung Privater zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nach europäischem Recht vergabefrei ist. Die Teckal-Kriterien dürften damit weitgehend ihre Bedeutung verloren haben, denn der Bezug zu einer öffentlichen Aufgabe wird sich bei Abschluss eines Vertrages zwischen öffentlichen Aufgabenträgern regelmäßig herstellen lassen. Gespannt wird man allerdings sein dürfen, ob die deutschen Gerichte die Rechtsprechung des EuGH mittragen werden; nach der Entscheidung des BGH vom 01.12.2008 (Az.: XZB 32/08) ist das deutsche Vergaberecht jedenfalls eigenständig zu interpretieren.

Bei einer Übernahme der neuen Kriterien durch die nationale Rechtsprechung werden sich bei der Beurteilung der Zulässigkeit interkommunaler Kooperationen andere Rechtsgebiete in den Vordergrund schieben, so etwa das öffentliche Wettbewerbsrecht, das u.a. die Zulässigkeit des Marktzutritts der öffentlichen Hand regelt, und das Kommunalrecht.

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