Fragerecht von Ratsmitgliedern

Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte in einem Klageverfahren eines Ratsmitgliedes gegen seinen Gemeinderat Gelegenheit, zum Inhalt und Umfang des Fragerechts von Ratsmitgliedern Stellung zu nehmen (Beschluss vom 12.04.2010, Az.: 15 A 69/09). Das klagende Gemeinderatsmitglied fragte in einer Sitzung des Gemeinderates nach vorheriger schriftlicher Ankündigung den Bürgermeister, wie hoch die Kosten für die Beauftragung von Beraterfirmen etc. im Jahr 2005 gewesen seien. Gleichzeitig begehrte er Auskunft darüber, in welchen Bereichen, mit welcher Zielstellung und mit wem die Verträge abgeschlossen worden seien. Der Bürgermeister entgegnete in der Sitzung, dies sei nicht leistbar, die Beantwortung der Anfrage benötige Arbeitskraft und könne nicht nebenbei erledigt werden. Der Bürgermeister bat den Gemeinderat um einen entsprechenden Beschluss. Nachdem ein anderes Mitglied des Gemeinderates den Antrag stellte, die Anfrage nicht zuzulassen, da es sich nicht um eine Anfrage, sondern um einen Arbeitsauftrag an die Verwaltung handele, stimmte der Gemeinderat mehrheitlich gegen die Zulassung der Anfrage. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht Münster ging davon aus, dass das klagende Gmeinderatsmitglied in seinem Fragerecht verletzt wurde. Der Gemeinderat habe bei der Regelung des Inhalts und Umfangs des Fragerechts der Ratsmitglieder in der Geschäftsordnung die Funktion des Fragerechts zu beachten. Es diene der sachlichen Aufgabenerfüllung des Ratsmitgliedes, was voraussetze, dass es über die dafür erforderlichen Informationen verfüge. Insoweit sei das Ratsmitglied in hohem Maße auf den Sachverstand der Gemeindeverwaltung angewiesen. Dabei dürfe es nicht auf die Information verwiesen werden, die die Gemeindeverwaltung von sich aus zur Verfügung stellt. Soll das Ratsmitglied sein Mandat nach seiner freien, nur durch Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung ausüben, müsse es selbst darüber befinden können, welche Informationen es für die eigenverantwortliche Erfüllung seiner Aufgaben bedarf. Dementsprechend sei der Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung dazu verpflichtet, die Fragen eines Ratsmitgliedes zu beantworten. Die Geschäftsordnung könne eine Antwortpflicht also nicht generell ausschließen.

Allerdings unterliege die Antwortpflicht des Bürgermeisters bestimmten Grenzen. Es bestehe aber nur ein enger Entscheidungsspielraum darüber, ob überhaupt eine Antwort gegeben wird. Die Ablehnung, eine Frage überhaupt zu beantworten, müsse die Ausnahme sein. Bei einer Ablehnung sind die Gründe dafür anzugeben. Ein Nachschieben von Gründen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren komme nicht in Betracht. Der Antwortgeber müsse sich daher an seiner angegriffenen Antwort nebst dazugegebener Begründung festhalten lassen, sobald ein darauf bezogenes Gerichtsverfahren anhängig ist.

Beschränkungen der Antwortpflicht könnten sich nur aus der Funktion des Fragerechts ergeben. Es habe sich im Rahmen des Aufgabenbereichs des Rates zu halten. Demgemäß könne sich die Antwortpflicht des Bürgermeisters nur auf solche Bereiche erstrecken, für die er unmittelbar oder mittelbar verantwortlich ist und die den Zuständigkeitsbereich des Gemeinderates oder seine Ausschüsse berühren. Eine weitere Grenze ergäbe sich aus der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die die Antwortpflicht des Bürgermeisters auf solche Informationen begrenzt, die ihm vorliegen oder die mit zumutbarem Aufwand beschafft werden können. Die Pflicht zur Beantwortung von Anfragen durch Ratsmitglieder werde weiter dadurch begrenzt, dass sie als Ausübung öffentlicher Gewalt die grundrechtlich geschützten Positionen privater Dritter zu beachten hat. Grenzen des Informationsanspruches bestünden schließlich in Bezug auf die Art und Weise der Antwort. Zur Wahrung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Stadtverwaltung dürfe der Bürgermeister innerhalb einer rechtlich umgrenzten Einschätzungsprärogative über Art und Weise der Antwort befinden. Dabei müsse er sich an der Pflicht zu vollständiger und zutreffender Antwort orientieren.

Unter Anwendung dieser Grundsätze sah das Oberverwaltungsgericht Münster eine Verletzung des Fragerechts des Gemeinderatsmitglieds als gegeben an. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang eine Anfrage beantwortet werden soll, stehe mit Blick auf den Adressaten und die Zielrichtung einer Anfrage an die Verwaltung allein dem Bürgermeister zu. Die Verwaltung sei antwortpflichtig, nicht der Rat. Dort und nicht im Gemeinderat sei einzuschätzen, ob Gründe für eine Nichtbeantwortung vorliegen. Dem Gemeinderat stehe keine Befugnis zu, die Anfrage nicht zuzulassen. Die Ablehnung der Zulassung der Anfrage sei daher schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil im vorliegenden Fall der Gemeiderat die Zulassung verweigert habe.

Im Einzelfall ist daher genau zu prüfen, ob der Bürgermeister die Beantwortung einer Anfrage eines Gemeinderatsmitgliedes verweigern kann. Wird die Beantwortung verweigert, ist diese ausreichend schriftlich oder zu Protokoll zu begründen. Eine Ergänzung der Begründung im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Nachprüfungsverfahrens kommt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster nicht in Betracht.

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