Keine Haftung bei typischen Baustellenunebenheiten

LG Koblenz, Urteil v. 31.01.2025, Az. 13 S 32/24

In dem zugrunde liegenden Fall begehrte die Klägerin – eine Privatperson – von einem Straßenbauunternehmen Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Beklagte hatte im Rahmen von Sanierungsarbeiten eine Straße bearbeitet, die über keinen gesonderten Gehweg verfügte. Im Zuge der Bauarbeiten entstand eine sogenannte Fräskante – dabei handelt es sich um eine Höhenstufe, die beim Abtragen der oberen Asphaltschicht entsteht und einen Niveauunterschied zur angrenzenden Fahrbahn bildet. Die Klägerin stürzte an dieser Kante und zog sich dabei eine distale Radiusfraktur zu, also einen Bruch der Speiche im Bereich des Handgelenks. Die betreffende Straße war entsprechend den baubehördlichen Vorgaben mit Warnschildern versehen. Die Klägerin ist jedoch der Auffassung, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, da nicht gesondert auf die Fräskante hingewiesen wurde.

Das Amtsgericht bejahte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch das ausführende Straßenbauunternehmen. Nach Auffassung des Gerichts hätte die Beklagte – über die allgemeine Baustellenbeschilderung hinaus – durch ein zusätzliches Hinweisschild ausdrücklich auf die Unebenheiten aufmerksam machen müssen. Zugleich sah das Gericht in dem Verhalten der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden, das anspruchsmindernd berücksichtigt wurde. So hatte die Klägerin zuvor bereits eine erste Fräskante überwunden und musste daher mit weiteren Unebenheiten rechnen.

Beide Parteien legten gegen das Urteil Berufung ein. Das Berufungsgericht wies die Klage vollständig ab. Es verneinte das Vorliegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte. Grundsätzlich muss, wer eine Gefahrenquelle schafft, zumutbare Maßnahmen ergreifen, um Schäden für andere zu vermeiden. Eine Verkehrssicherungspflicht entsteht jedoch erst, wenn eine Gefahr selbst für aufmerksame Verkehrsteilnehmer überraschend und nicht rechtzeitig erkennbar ist. Maßgeblich sind dabei stets die konkreten Umstände – etwa gelten für Fußgängerzonen andere Sicherungspflichten als für unwegsames Gelände.

Im Bereich einer klar erkennbaren Baustelle müssen nicht alle Unebenheiten gesondert gekennzeichnet werden – diese seien dort typischerweise zu erwarten. Nach Ansicht des Gerichts war der Baustellenbereich im vorliegenden Fall ausreichend abgesichert. Eine Fräskante stelle eine übliche Unebenheit dar, mit der Fußgänger im Baustellenumfeld rechnen müssten. Zudem befand sich die Sturzstelle auf einer wenig frequentierten, beschädigten Straße, die vorrangig dem Fahrzeugverkehr dient. Fußgänger durften hier keinen ebenen und hindernisfreien Weg wie in Fußgängerzonen erwarten. Da es dunkel war und keine durchgängige Straßenbeleuchtung bestand, hätte die Klägerin besonders aufmerksam sein müssen. Warnbaken mit Blinklichtern sowie ein deutliches Einfahrtsverbot wiesen zudem auf die Baustelle hin. Auch die generellen Straßenschäden und das typische Erscheinungsbild von Bauarbeiten – etwa durch Fräsungen – stellten Anzeichen dafür dar, dass besondere Vorsicht geboten war. Angesichts dieser Umstände sah das Gericht die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten als erfüllt an.

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