LAG München – wie eine (rechtswidrige) Kündigung eines Minijobbers zu Zahlungsverpflichtungen von ca. 100.000 Euro führen kann

Ein Jurastudent, der in einer Münchner Gaststätte als Kellner tätig war, setzte sich erfolgreich vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München gegen eine Kündigung zur Wehr – mit weitreichenden Konsequenzen für seinen ehemaligen Arbeitgeber und dessen Geschäftsführer (LAG München - Teilurt. v. 16.04.2025, Schlussurt. v. 04.06.2025 - Az. 11 Sa 456/23).

Hintergrund war die fristlose Kündigung des Studenten, nachdem er ersteSchritte zur Gründung eines Betriebsrats unternommen hatte. Der Arbeitgebersetzte ihn daraufhin monatelang nicht mehr ein, bot ihm später einenKüchenposten an, den er ablehnte – woraufhin die Kündigung erfolgte. Das LAGbewertete dieses Vorgehen als rechtswidrig und sah darin eine gezielteMaßnahme, den Kläger unter Druck zu setzen und von der Mitbestimmung und derGründung des Betriebsrates abzuhalten - § 20 Abs. 1 BetrVG.

 

Das LAG entschied zugunsten des Klägers, dass er Zahlungen in Höhe von rund 100.000 Euro begehren konnte. Erstattet werden mussten u. a. entgangener Lohn (inkl. Überstunden), Trinkgeld (pauschal mit 100 Euro je Schichtangesetzt) sowie Sachbezüge wie vergünstigte Mahlzeiten – allein für die Jahre2022 und 2023 rund 70.000 Euro. Auch die Kosten für das Waschen von Arbeitskleidung seien vom Arbeitgeber zu tragen. Da einige Zahlungsansprüche bereits im Jahr 2019 entstanden waren, sind erhebliche Zinsforderungen entstanden.

 

Besondere Aufmerksamkeit abseits der finanziellen Ebene verdient die Entscheidung, wonach sich der Arbeitgeber schriftlich für diskriminierende Aussagen in einem Schriftsatz entschuldigen muss. Er hatte zur Rechtfertigung der Kündigung u. a. darauf verwiesen, dass der Kläger 24 Jahre alt sei und keine Unterhaltspflichten habe. Das LAG wertete dies offenbar als unzulässige Diskriminierung und sprach dem Kläger einen Entschädigungsanspruch zu – inklusive „immaterieller Naturalrestitution“ in Form einer Entschuldigung. Da der Arbeitgeber seiner Mitwirkungspflicht zur Urlaubsgewährung nicht nachgekommen war, verurteilte das LAG die neue Betriebsinhaberin, dem Kläger rückwirkendsechs Monate bezahlten Urlaub zu gewähren. Grundlage hierfür war die aktuelle Rechtsprechung des EuGH, wonach Urlaubsansprüche ohne ordnungsgemäße Aufklärung nicht verfallen. Bemerkenswert ist auch die persönliche Haftung des Geschäftsführers. Das Gericht bejahte eine sogenannte Durchgriffshaftung, weil dieser vorsätzlich gegen Schutzgesetz – hier hinsichtlich der Behinderung der Betriebsratsgründung –  verstoßen habe. Eine Begrenzung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen greife daher nicht.

 

Die Entscheidung setzt ein klares Signal für den Schutzbetriebsverfassungsrechtlicher Initiativen und Arbeitnehmerrechte und verdeutlicht, dass im Prozessfall für Arbeitgeber auch bei Minijobbernerhebliche finanzielle Risiken bestehen können.

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