OVG Schleswig: Bestandsschutz entfällt bei umfangreichen Veränderungen
In seinem Urteil vom 07.01.2025 – 1 LA 71/23 entschied das Oberverwaltungsgericht Schleswig über eine Beseitigungsanordnung der Bauaufsichtsbehörde. Auf dem Grundstück der Klägerin befand sich außerhalb der von einem Bebauungsplan festgesetzten Baufenster ein eingeschossiges, massiv geschädigtes und verfallenes Gebäude, was nach Angaben der Klägerin in den 1930er Jahren errichtet worden sei. Im Jahr 2013 erfolgten umfangreiche bauliche Veränderungen am Gebäude, die trotz einer sofort vollziehbaren Baueinstellen fortgesetzt und im Jahr 2014 beendet wurden. Im Jahr 2016 verfügte die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung des Gebäudes und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an. Zur Begründung führte die Bauaufsichtsbehörde aus, dass die bauliche Anlage sowohl formell als auch materiell illegal sei. Eine Baugenehmigung für das Gebäude, das sich außerhalb des im Bebauungsplan festgesetzten Baufensters befinde, könne die Klägerin nicht nachweisen. Selbst wenn eine solche Baugenehmigung bestanden hätte, seien die durchgeführten Bauarbeiten derart umfangreich, dass sie einen etwaigen Bestandsschutz hätten entfallen lassen. Der Widerspruch und die Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Beseitigungsanordnung waren ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass ein Bestandsschutz jedenfalls infolge der in den Jahren 2013 und 2014 vorgenommenen Baumaßnahmen entfallen sei. Es habe sich bei den Umbauten nicht mehr um Renovierungsarbeiten gehandelt.
Bestandsschutz berechtige nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts grundsätzlich (nur) dazu, eine rechtmäßig errichtete bauliche Anlage in ihrem Bestand zu erhalten und sie wie bisher zu nutzen. In gewissem Umfang könnten auch die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung der baulichen Anlage notwendigen Maßnahmen zulässig sein, wenn sie den bisherigen Zustand im Wesentlichen unverändert lassen. Vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckt seien daher solche Maßnahmen, die einer Neuerrichtung gleichkommen. Die Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk müsse gewahrt bleiben. Kennzeichen dieser Identität sei es, dass das ursprüngliche Gebäude nach wie vor als die „Hauptsache“ erscheint. Hieran fehle es dann, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauwerk wesentlich erweitert wird. Erforderlich sei insoweit eine verständige Gesamtbetrachtung der Baumaßnahmen, die den Rahmen der bloßen Instandhaltung dann verlassen, wenn wesentliche Bauteile vollständig ausgewechselt werden oder das gesamte Bauwerk derart entkernt wird, dass es einer Neuerrichtung gleichkommt und dadurch die Lebensdauer des „neu“ geschaffenen Bauwerks diejenige des unter Bestandsschutz stehenden Gebäudes übersteigt.
Danach seien die umfangreichen Maßnahmen des massiv geschädigten und verfallenen Gebäudes mit Austausch der Außenwände und tragenden Holstützen komme einer Neuerrichtung gleich, sodass sich die Klägerin nicht auf einen Bestandsschutz berufen könne.