SächsOVG erstmalig zur Abgabenbefreiung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 09.06.2021 - 5 A 190/18 und 5 A 596/18 den Berufungen zweier Abwasserzweckverbände, die von unserer Kanzlei vertreten wurden, stattgegeben. Den Entscheidungen lagen zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Leipzig zugrunde, mit denen Kleineinleiterabgabebescheide aufgehoben wurden.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts war in beiden Verfahren der Tatbestand der Abgabenbefreiung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG nicht erfüllt (wir berichteten in der Mandanteninformation 01/2018). Die Kläger betrieben Kleinkläranlagen zur mechanischen Abwasserbehandlung mit Überlauf in die Vorflut, welche im Veranlagungsjahr unstreitig nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprachen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es jedoch nicht auf das Veranlagungsjahr sondern das Jahr der Errichtung an. Zu diesem Zeitpunkt (1995/1996 bzw. in den 1970iger Jahren) haben die Anlagen den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen. Deshalb sei eine Abgabenbefreiung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG zu gewähren.

Bisher wurde die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Abgabenbefreiung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG abzustellen ist, für Sachsen höchstrichterlich noch nicht beantwortet. Die vom VG Leipzig vertretene Auffassung entspricht der des VG Weimar und einem Teil der Kommentarliteratur. Das Oberverwaltungsgericht hat nun mit den Urteilen erstmals für Sachsen geklärt, dass der für die Abgabenfreiheit maßgebliche Zeitpunkt der jeweilige Veranlagungszeitraum ist. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Sinn und Zweck der Norm. Das Abwasserabgabengesetz will Anreize dafür schaffen, geringere Abwassermengen einzuleiten, die Schadstoffkonzentration und -schädlichkeit im eingeleiteten Abwasser zu vermindern, die Reinigungstechnik zu verbessern und dadurch insgesamt die Gewässerverunreinigung zu reduzieren. Demnach soll die mit der Abgabenbefreiung verbundene Wohltat demjenigen zukommen, der aus eigenem Entschluss und unter eigenem Kostenaufwand eine bestimmte Reinigungstechnik installiert und so die Schadstofffracht der versickernden Abwässer möglichst verringert.

Außer der Anreizfunktion besitzt die Abwasserabgabe zudem eine Ausgleichsfunktion, nämlich die Kostenlast für die Vermeidung, die Beseitigung und den Ausgleich von Gewässerschäden gerechter zu verteilen. Dieser Funktion entspricht, die Abgabenbefreiung davon abhängig zu machen, dass die Kleinkläranlage im jeweiligen Veranlagungsjahr den aktuell maßgeblichen allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die Norm des § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG ist Ausdruck des Verursacherprinzips, das auch dem Abwasserabgabengesetz zugrunde liegt und wonach die Kosten zur Vermeidung, zur Beseitigung und zum Ausgleich von Umweltbelastungen demjenigen zugerechnet werden, der sie verursacht hat. Dies spricht dafür, denjenigen, der aufgrund einer nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Kleinkläranlage Gewässerschäden verursacht, nicht von der Abwasserabgabe zu befreien, sondern ihn an den Kosten zur Beseitigung und zum Ausgleich zu beteiligen.

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