VerfGH Berlin: § 9 Abs. 3 KapVO teilweise mit Verfassung unvereinbar!

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat am 15.01.2014 beschlossen, dass § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KapVO-Berlin mit der Verfassung des Landes Berlin unvereinbar ist. Die Vorschrift ist aber bis zu einer Neuregelung, die spätestens für das Vergabeverfahren zum Wintersemester 2015/2016 zu treffen ist, weiter anwendbar.

Der Beschwerdeführer hatte im Wege einer einstweiligen Anordnung die Zulassung zum Studium der Tiermedizin außerhalb der festgesetzten Kapazität begehrt, was die Verwaltungsgerichte abgelehnt hatten. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendete er sich u.a. gegen den Krankenversorgungsabzug für die Lehreinheit Tiermedizin in § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KapVO-Berlin. Insoweit hatte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, da nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs der Verordnungsgeber seine ihm verfassungsrechtlich obliegenden Beobachtungs- und Überprüfungspflicht verletzt habe. Zwar würden sich aus dem Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung keine konkreten Berechnungsgrundsätze ableiten. Vielmehr müssten die wechselseitigen Interessen abgewogen werden. Dabei müsse der Normgeber von Annahmen ausgehen, die dem aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen und eine etwaige Kapazitätsverminderung auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken. Hinsichtlich des aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstandes treffe den Normgeber eine Beobachtungs- und Überprüfungspflicht sowie ggf. eine Nachbesserungspflicht. Diesen Anforderungen genüge der pauschale Krankenversorgungsabzug für die Lehreinheit Tiermedizin in § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KapVO-Berlin nicht mehr. Die letzte Erhebung zur Berechnung des Personalbedarfs sei vor mindestens 28 Jahren erfolgt. Es könne daher nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Höhe des Krankenversorgungsabzuges von 30% Annahmen zugrunde liegen, die dem gegenwärtigen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen.

Das Gericht hat die Fortgeltung der Norm für eine Übergangszeit angeordnet, um einen deutlichen Anstieg der Zulassungszahlen und damit eine ernsthafte Gefährdung der Ausbildungsqualität zu vermeiden.

Die Rechtsprechung des Berliner Verfassungsgerichtshofs wird sich auf andere pauschale Rechengrößen der Kapazitätsverordnungen der Länder übertragen lassen. Es ist mit einem entsprechenden Vortrag der Studienbewerber zu rechnen. Die Wissenschaftsverwaltungen sind daher gehalten, die den Pauschalen zugrunde liegenden Annahmen auf Aktualität zu überprüfen.

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