Verwaltungsgericht Magdeburg: Anforderungen an die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 16.12.2021 (Az.: 7 A 509/20 MD) entschieden, dass eine Behörde, die den Postausgang eines schriftlichen Verwaltungsaktes nicht nachweisen kann, sich nicht auf die Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG-LSA i. V. m. § 122 Abs. 1 AO berufen kann.
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG-LSA i. V. m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der – wie in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren – im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Diese Vermutung greift nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG-LSA i. V. m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bestehen Zweifel am Zugang oder am Zeitpunkt des Zugangs, hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes oder den Zeitpunkt seines Zugangs nachzuweisen.
Wird die Aufgabe des Bescheids zur Post durch den zuständigen Behördenmitarbeiter dokumentiert, wird durch diese Dokumentierung ein typischer Geschehensablauf dahingehend in Gang gesetzt, dass im Inland eine Postbeförderung innerhalb von drei Tagen an den Bestimmungsort erwartet werden kann (sog. Beweis des ersten Anscheins). Diese Dokumentation erfolgt gewöhnlich durch ein Postausgangsbuch. Durch den Eintrag wird bestätigt, dass der schriftliche Verwaltungsakt tatsächlich einem Postdienstleister übergeben wurde. Insbesondere in Massenverfahren kann dieser Nachweis auch auf andere Weise erfolgen. Aus dem Nachweis muss zweifelsfrei hervorgehen, dass sich der schriftliche Verwaltungsakt nicht nur bei den Akten befindet, sondern tatsächlich in den Postausgang gelangt ist. Als ein solcher Nachweis genügt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg eine im Verwaltungsvorgang der Behörde abgeheftete Abschrift des Bescheides mit einem Vermerk über die tatsächliche Abgabe des Bescheides zur Post. Aus dem Datum des Verwaltungsaktes lässt sich nicht auf den Tag der Aufgabe zur Post schließen.
Ist der Postausgang in geeigneter Weise dokumentiert und kommt das Schreiben nicht als unzustellbar zurück, sind Zweifel am Zugang und ggf. am Zugangszeitpunkt nur gerechtfertigt, wenn der Adressat des Bescheides einen atypischen Geschehensablauf schlüssig vorträgt. In dem Fall der hinreichenden Dokumentierung der Aufgabe des Bescheids zur Post reicht das schlichte Bestreiten des Zugangs oder des Zeitpunkts des Zugangs des Bescheids nicht aus. Das schlichte Bestreiten des Zugangs - dies gilt auch in zeitlicher Hinsicht – begründet keine Zweifel, die die Behörde verpflichten, den Zugang des Verwaltungsaktes und/oder den Zeitpunkt seines Zugangs nachzuweisen.
Anders verhält es sich, wenn die Behörde den Tag der Aufgabe des Bescheids zur Post nicht hinreichend dokumentiert hat. Die oben dargestellten Grundsätze des ersten Anscheins sind dann nicht auf den Zugang eines schriftlichen Verwaltungsaktes anwendbar. Da die Behörde die Absendung des Bescheids nicht hinreichend nachweisen kann, reicht es bei fehlender Dokumentierung aus, wenn der Adressat des Bescheids dessen Zugang bzw. Zeitpunkt des Zugangs lediglich schlicht bestreitet.
Die vorgenannten Ausführungen gelten auch für die Zugangsfiktion des § 41 Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 2 Abs. 1 VwVfG LSA.
In diesem Zusammenhang ist auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2021 (8 B 10.21) hinzuweisen, mit dem die Revision wegen der Frage zugelassen wurde, ob ein einfaches Bestreiten des Zugangs eines Verwaltungsaktes genügt, Zweifel am Zugang i. S. d. § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zu wecken, wenn die Posteingänge des Adressaten dokumentiert werden, die Dokumentation für den fraglichen Zeitraum aber nicht mehr verfügbar ist. Eine Revisionsentscheidung steht noch aus.